Das Universitätsarchiv

Zur Geschichte des LEUCOREA-Archivs

Die Geschichte des Wittenberger Universitätsarchivs ist im Vergleich zur Universitätsbibliothek weniger gut dokumentiert. Das Archiv war seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Collegium Iuridicum untergebracht. Akten die Universität betreffend sind darüber hinaus auch im Kurfürstlichen Archiv aufbewahrt worden, das als Ergebnis des Schmalkaldischen Kriegs 1547 neben der Kurfürstlichen Bibliothek zunächst nach Weimar, dann nach Jena überführt wurde. Dabei handelt es sich um Unterlagen landesherrlicher Provenienz wie etwa Schreiben der Universität an die Landesherrschaft oder der Ernestiner, die diese an die LEUCOREA versandten bzw. deren Abschriften.

Im Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar findet sich daher heute in der Registratur O (Ernestinisches Gesamtarchiv) eine Aktengruppe, die die Frühphase der LEUCOREA betrifft. Die Akten und Urkunden datieren von 1502 bis 1566, wobei das Gros bis zur Wittenberger Kapitulation von 1547 reicht. Bei den im Landesarchiv aufbewahrten Akten handelt es sich vor allem um die ernestinisch-kurfürstliche Überlieferung im Zusammenhang mit der Universität (Standort: Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. O 158 bis Reg. O 552 und LATh – HStA Weimar, EGA, Urkunde Nr. 1846 bis Urkunde Nr. 1852). Es ist geplant, das Findbuch zum Bestand der Reg. O künftig online zu stellen.

Das Wittenberger Universitätsarchiv war am Ende des 16. Jahrhunderts, so schreibt der preußische Archivar Friedrich Israël in seinem historischen Überblick zum LEUCOREA-Archiv im Gebäude der Juristenfakultät untergebracht. Israël führt 1913 weiter aus: „Wir hören von einem weißen Schrank mit mehreren Kästlein, einem großen eisenbeschlagenen Kasten und mehreren Laden, so einer Rektoratslade, einer Lade Oeconomiae, also des Konvikts, und im Gewölbe noch ein Repositorium mit Akten. In dem beschriebenen Raume finden wir das Archiv noch 1705.“ (Israël 1913: 5) Zudem hebt er den unsystematischen Zustand der Aktenarchivierung hervor.

Erst mit dem Siebenjährigen Krieg und den damit einhergehenden Schäden in Wittenberg war die Lagerung des Universitätsarchivs verändert worden. So schilderte die Universität in einem Schreiben über die Kriegskatastrophe vom 13. Oktober 1760: Man möchte „anzeigen, daß wir inmittelst bei dem so großen Unglück … das Universitätsarchiv an Fundationen und darzu gehörigen Originaldocumenten gerettet und … in das Gewölbe in der Sacristei bei der Universitätskirche … in sichere Verwahrung bringen“ (Urkundenbuch der Universität Wittenberg II, S. 422). Zur Lagerung der Akten erwies sich die Sakristei der Universitäts-, d.h. der Schlosskirche, jedoch als denkbar ungeeignet: Sie war zu feucht. Die Akten wurden deshalb 1803 in das erste Stockwerk des Schlosskirchenturms verbracht.

Erstürmung Wittenbergs 1814, Quelle: Wikimedia

1813 war die Sicherheit des Archivs – wie auch der Bibliothek – im Zusammenhang mit den Napoleonischen Kriegen erneut stark gefährdet. Am 24. Juli ordnete daher die kursächsische Regierung an, Archiv, Bibliothek und Sammlungen elbaufwärts nach Dresden zu verschiffen. Doch wurde die in Kisten verpackte Ladung nahe Meißen von französischen Truppen abgefangen und anschließend im Rittergut Seußlitz bei Meißen zwischengelagert. Die in Wittenberg zurückgebliebenen Aktenbestände nahmen durch den Beschuss der Stadt erheblichen Schaden und sind teilweise vernichtet worden. 1816 wurden die bei Meißen zwischengelagerten Akten nach Wittenberg rücküberführt.

Nach der Auflösung der Wittenberger Universität – Aufteilung ihrer Aktenbestände

Nach der Vereinigung der Universitäten Wittenberg und Halle verblieb das Archiv zunächst in Wittenberg. Sein Zustand war durch Unordnung und Kriegsverluste gekennzeichnet. Aus der kriegsbeschädigten Schlosskirche verlagerte man die Bestände ins Augusteum. Auf preußische Regierungsinitiative hin wurde ausgehandelt, dass Akten kursächsischer Provenienz, welche die Universität Wittenberg betreffen, von der Provinzregierung zu Merseburg wieder in das Universitätsarchiv überführt werden. So gelangten etwa 400 Akten des Oberkonsistoriums und der Universität erneut nach Wittenberg.

In den 1820er Jahren wurde durch preußische Archivare eine erste Systematik des diffusen Aktenbestands erstellt, auf der in der Folgezeit aufgebaut werden konnte. Die wichtigste Frage blieb, wo das Wittenberger Universitätsarchiv künftig angesiedelt werden sollte. Dabei gab es widerstreitende Ansprüche interessierter Akteure. Schließlich übermittelte der Oberpräsident der Provinz Sachsen Wilhelm Anton von Klewiz am 26. Mai 1830 dem außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten Mühlenbruch in Halle, dessen Funktion der eines Universitätskurators ähnlich war, einen Ministerialbeschluss des Kultusministeriums, dass alle Wittenberger Universitätsakten ungeteilt nach Halle überstellt werden sollten. Daran schloss sich wiederum ein jahrelanger Streit an, der letztlich zu folgendem Ergebnis führte:

  • Die Güterverwaltungsakten bleiben bei der Universitätsverwaltung zu Wittenberg (die Universitätsverwaltung war 1817 zur weiteren Verwaltung des Universitätsvermögens der vormaligen LEUCOREA eingerichtet worden; sie betreute die Schloßkirche, das Augusteum mit dem Lutherhaus und dem früheren kurfürstlichen Stipendiatenhaus sowie das Melanchthonhaus und finanzierte das Predigerseminar; die Mittel stammten aus dem Wittenberger Universitätsvermögen, das sich aus der Vereinigungsurkunde vom 12. April 1817 ergab, und aus Einnahmen aus der Verwaltung).
  • Die Patronatsakten gehen an das Wittenberger Predigerseminar.
  • Der Hauptteil der Akten wird an die Vereinigte Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg mit Sitz in Halle als Rechtsnachfolgerin der LEUCOREA überführt.

Die Akten der Universitätsverwaltung zu Wittenberg befinden sich heute im Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Merseburg (Bestand C 69 Universitätsverwaltung Wittenberg). Der Bestand umfasst 18 lfm Archivgut mit knapp 500 Akteneinheiten und deckt den Zeitraum von 1720 bis 1952 ab. Da die Universitätsverwaltung zu Wittenberg erst Ergebnis der Vereinigung der Universitäten Halle und Wittenberg war, liegt der Fokus dieser Überlieferung auf dem 19. Jahrhundert. Dennoch reichen zahlreiche Akten auch in die Zeit vor der Auflösung der Universität Wittenberg zurück.

Dem Predigerseminar wurden mehrere Bestände übereignet: Archivalien, eine Handschriften- und eine Funeraliensammlung sowie Sammlungen weiterer Objekte, z.B. rund 70 Gemälde mit Darstellungen von Reformatoren, Landesfürsten und LEUCOREA-Professoren. Diese Bestände befinden sich heute, wie die frühere Seminarbibliothek, in der Reformationsgeschichtlichen Forschungsbibliothek.

Löwengebäude Halle, Lithographie von Heinrich Wilhelm Teichgräber (1838), Quelle: Wikimedia

Nachdem Teile des Universitätsarchivs – Urkunden der Philosophischen und Theologischen Fakultät sowie solche, die der Provinzialverwaltung überstellt wurden – bereits zuvor nach Halle gelangt waren, erfolgte die Überstellung des größten Bestands an LEUCOREA-Akten in die Saalestadt schließlich (erst) 1838. Im Oktober 1837 war der hallesche Historiker Heinrich Leo nach Wittenberg gekommen, um zu sondieren, welche Akten nach Halle überstellt und welche in Wittenberg bleiben sollten. Dabei erkannte er zwar den großen historischen Wert des Archivbestandes, fand diesen aber in verheerendem Zustand vor. Offenbar in Folge eines Cholera-Ausbruchs 1831 waren die Akten, die in zwei Räumen des Augusteums lagerten, unsachgemäß neu untergebracht worden. Dieser prekäre Zustand erzeugte zusätzlichen Handlungsdruck zum baldigen Transport nach Halle. 1838 wurde das Wittenberger Universitätsarchiv in Halle zunächst im Saal der Ponickauschen Bibliothek, die mit der hallischen Universitätsbibliothek vereinigt worden war, aufgestellt. Dort wurde es einer mehrjährigen Revision unterzogen.

Als Friedrich Israël sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts des LEUCOREA-Aktenbestandes annahm, war der nach Halle überführte Teil an drei Orten zu finden: im Universitätsverwaltungsgebäude, in der Universitätsbibliothek und im Historischen Seminar.

Heute ist der umfangreichste Aktenbestand der Universität Wittenberg in das Universitätsarchiv Halle integriert:

  • Die Ordnung des Repositoriums 1 „Archiv der Universität Wittenberg“ (Link zur Bestandsbeschreibung) basiert nach wie vor auf der von Friedrich Israël entwickelten Klassifikation und Systematik. 2014 hat Dr. Michael Ruprecht eine Retrokonversation des von Israël erstellten Findbuchs und weitere Ergänzungen vorgenommen.
  • In Repositorium 2 „Wittenberger Stiftungen“ (Link zur Bestandsbeschreibung) sind Akten überliefert, anhand derer sich die Geschichte der Stiftungen nachzeichnen lässt, mit denen bevorzugte oder bedürftige Studenten an der Universität Wittenberg unterstützt wurden. Die Stifter waren Privatleute, der Kurfürst und die Stadt, und die Stiftungen wurden auch nach der Universitätsvereinigung fortgeführt (Näheres dazu siehe hier).

In die Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt (ULB) sind nicht nur der bedeutendste Teil der früheren LEUCOREA-Bibliothek überführt worden, sondern auch wichtige handschriftliche Quellen. Das bekannteste Beispiel bilden die Wittenberger Universitätsmatrikel, die für den gesamten Bestandszeitraum der Universität Wittenberg überliefert sind. Ebenso lagert dort das Dekanatsbuch der Theologischen Fakultät (während die Dekanatsbücher der anderen Fakultäten im Universitätsarchiv Halle verwahrt werden). Überdies befinden sich im Bestand der ULB zahlreiche Autographe Wittenberger Universitätsprovenienz.               

Sammlung von Einzelgutachten der Wittenberger Rechtsgelehrten von Henning Göde (1544)

In dem Bestand, der nach Halle überführt wurde, befinden sich auch Akten zur Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristenfakultät. Der Großteil der Urteilsbücher lagert heute jedoch im Bestand „Juristenfakultät Wittenberg als Spruchkollegium 1575–1815“ des Hauptstaatsarchivs in Dresden (Online-Findbuch). Vermutlich wurden die Urteilsbücher der Juristenfakultät 1852 zusammen den Akten des Schöppenstuhls Leipzig an das damalige Hauptstaatsarchiv für das Königreich Sachsen überstellt. Der Bestand umfasst 570 Verzeichnungseinheiten. Größere Lücken sind für das 17. Jahrhundert gegeben – dadurch begründet, dass sich ein Teil der Urteilsbücher aus diesem Jahrhundert unter den 209 Urteilsbüchern befindet, die heute im Universitätsarchiv Halle lagern.

Literatur

Friedrich Israël: Das Wittenberger Universitätsarchiv, seine Geschichte und seine Bestände. Nebst den Regesten der Urkunden des Allerheiligenstiftes und den Fundationsurkunden der Universität Wittenberg (Forschungen zur Thüringisch-Sächsischen Geschichte 4. Heft), Gebauer-Schwetschke Druckerei und Verlag, Halle a.d.S. 1913

1911 war dem Autor die Aufgabe übertragen worden, das Wittenberger Universitätsarchiv neu zu ordnen. Daraus entstanden Regesten der im Wittenberger Universitätsarchiv befindlichen Originalurkunden des Allerheiligenstiftes und eine Liste der wichtigsten Urkunden über die Stiftung und Ausstattung der Universität Wittenberg, die beide im Anhang dokumentiert werden. Hinzu tritt das Schema der durch Israël hergestellten Neuordnung des Universitätsarchivs. Eingeleitet wird die Publikation durch eine kurze Übersichtsdarstellung zur Geschichte der Archivsammlung und ihrem weiteren Schicksal nach 1817.

Erich Grosser: Wittenberger Stiftungen, Universitätsarchiv Halle-Wittenberg, Halle (Saale) 1960

Beschrieben werden neben der Verwaltung der Wittenberger Stiftungen ihre Überlieferung im halleschen Universitätsarchiv.

Ralf-Torsten Speler: Die akademischen Sammlungen und Museen, in: Gunnar Berg/Thomas Bremer/Heinrich Dilly/Hermann-Josef Rupieper/Marianne Schröter/Udo Sträter/Claudia Wagner (Hg.), Emporium. 500 Jahre Universität Halle-Wittenberg. Landesausstellung Sachsen-Anhalt 2002, Fliegenkopf-Verlag, Halle (Saale) 2002, S. 379–413 (enthält kursorische Angaben zur Geschichte des Wittenberger Universitätsarchivs)

Peer Pasternack/Daniel Watermann: Verstreut. Die Überlieferungssituation aus und zur Universität Wittenberg. Auffindbarkeit und Zugänge, in: Sachsen und Anhalt. Jahrbuch der Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt 34 (2022), S. 211–248

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