Theologische Fakultät

Die Theologische Fakultät war die bedeutendste der vier LEUCOREA-Fakultäten. Durch das Wirken zahlreicher Reformatoren wie Martin Luther, Philipp Melanchthon (er hatte eine ordentliche Professur an der Artistischen Fakultät inne, aber auch eine Lehrberechtigung für die Theologische), Justus Jonas der Ältere, Johannes Bugenhagen oder Andreas Bodenstein erlangten Fakultät und Universität im 16. Jahrhundert welthistorische Bedeutung.

Siegel der Fakultät am Disputationskatheder im Lutherhaus, Quelle: Stiftung Luthergedenkstätten

Gemäß ihren Statuten von 1508 verlieh die Fakultät die akademischen Grade „baccalaureus biblicus“, „sententiarius“, „formatus“ und „licentiatus“. Voraussetzung für ein Studium an der Theologischen Fakultät war das Studium der Sieben Freien Künste an der Artistischen Fakultät. Erwarb ein Kandidat die Lizentiatur, erhielt er damit die Lehrerlaubnis und war zur Promotion berechtigt.

Philipp Melanchthon zeichnete 1533 und 1545 für die Abfassung neuer Fakultätsstatuten verantwortlich. Ihr Fundament waren das Augsburger Bekenntnis sowie die Hervorhebung der Bibelauslegung durch philologische Methoden. Von den vier ordentlichen Professoren der Fakultät waren zwei für das Alte und zwei für das Neue Testament zuständig. Bis zum Schluss hatte die Fakultät vier ordentliche Professuren, deren Lehrverpflichtungen im Laufe der Zeit verändert und angepasst wurden.

Theologische Professuren waren in der Frühzeit der Fakultät – wie an anderen Universitäten auch – mit Ordensämtern und Stiftspfründen verbunden. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde die enge Verbindung zwischen der Tätigkeit als Pfarrer und Hochschullehrer gelockert. War das Pfarreramt zuvor Voraussetzung für die Professur, so war diese nun ein mindestens dreijähriges Studium an einer Theologischen Fakultät. Der Erwerb des theologischen Doktorgrades wurde standardisiert: Absolvieren des Studiums an der Artistischen Fakultät, dreijähriges Studium an der Theologischen, öffentliche Disputationen, dreijährige Dienstzeit als Pfarrer.

Luther-Denkmal auf dem Wittenberger Marktplatz

In den theologischen Deutungskämpfen um die Durchsetzung der Reformation hatte die LEUCOREA im Verlauf des 16. Jahrhunderts eine herausragende Rolle behalten. Sie wurde einerseits zum Schauplatz interner konfessioneller Kontroversen. Andererseits wurden zahlreiche Streitschriften gegen vermeintliche Abweichler vom „wahren“ Luthertum verfasst. Zwischen Gnesiolutheranern, Philippisten und sogenannten Kryptocalvinisten oder später mit den Synkretisten wurde erbittert gestritten.

Nach der Verdrängung der Kryptocalvinisten Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Theologische Fakultät prägend für die lutherische Orthodoxie. Gegen alle ausgemachten Abweichungen sollte die Lehre Luthers in ihrer „Reinheit“ verteidigt werden. Die Wittenberger Anhänger der lutherischen Orthodoxie, mit ihrem wichtigsten Vertreter Abraham Calov, attackierten ihre Gegner mitunter derart heftig, dass gravierende politischen Folgen für die gesamte Universität daraus resultierten. So verfügte etwa der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm 1662, dass seine Untertanen nicht mehr Theologie und Philosophie in Wittenberg studieren dürfen.

Seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert war vor allem der Konflikt mit dem erstarkenden Pietismus für das Wirken der Wittenberger Theologischen Fakultät wichtig. Die Reformuniversität Halle als Zentrum des Pietismus avancierte zum Gegenpart der lutherischen LEUCOREA. Gegen die Attraktivität des Pietismus und später der weltlich orientierten Frühaufklärung stand die lutherische Orthodoxie zunehmend auf verlorenem Posten. Mit diesem Verlust an Strahlkraft der Theologischen Fakultät ging ein Rückgang der Immatrikulationszahlen an der LEUCOREA einher.

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