LEUCOREA online – Zu dieser Website

Im Internetzeitalter hat jede Institution, die etwas auf sich hält, eine eigene Website. Wer keine hat, existiert in der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung im Grunde nicht – bzw. hat nicht existiert. Die Universität Wittenberg gibt es seit 1817 nicht mehr, und folglich gab es sie bisher virtuell nicht. Das marginalisiert sie, trotz ihrer Bedeutung, im kulturellen Gedächtnis. Um dem abzuhelfen, ist die LEUCOREA hier nun online gebracht worden.

Bodenplatte im Hof der heutigen Stiftung Leucorea

Die Wittenberger Universität LEUCOREA war 1502 gegründet und 1817 qua Vereinigung mit der Universität Halle (gegr. 1694) aufgehoben worden. In den Jahren ihrer Existenz hatte die LEUCOREA ein bewegtes Leben. Von 1520 bis 1580 und 1605 bis 1615 war sie die am meisten frequentierte deutsche Universität, durchlebte im 17. und 18. Jahrhundert Erfolgs- wie Abschwungphasen und war um die Jahrhundertwende 1800 wieder auf einem Weg der inneren und äußeren Konsolidierung. Infolge der napoleonischen Besetzung Wittenbergs stellte die Universität ihren Betrieb 1813 faktisch ein. Die Vereinigung mit Halle 1817 ließ die LEUCOREA dann zu einem Teil des sogenannten großen Universitätssterbens um 1800 werden: 18 der 34 deutschen Universitäten wurden in dieser Zeit geschlossen.

Die Website ist ähnlich aufgebaut, wie es die Online-Präsenzen heute existierender Universitäten sind. Es wird mithin die Situation simuliert, als hätte es 1817 bereits das Internet gegeben. Dabei kann nun aber auf die inzwischen reichhaltigen Bemühungen zurückgegriffen werden, historische Quellen und historiografische Literatur digital verfügbar zu machen: Für diese, soweit sie die LEUCOREA betreffen, ist die Website als Knotenpunkt konzipiert, der zu den digitalisierten Beständen hinführt. Wo immer möglich, sind daher die Quellen- und Texthinweise mit Volltextdateien oder anderen ergänzenden Informationen verknüpft.

Die Website erfüllt zwei Funktionen, sie ist sortiertes Archiv und digitales Lesebuch: Als sortiertes Archiv liefert sie Orientierung in den nur schwer überschaubaren Quellen- und Textbeständen, die es aus der und über die Wittenberger Universität gibt. Gegliedert sind die Materialien dabei sowohl nach Personen als auch sachthematisch. So werden Sichtachsen durch eine Überfülle an Material geschlagen. Als digitales Lesebuch kann die Website genutzt werden, um sich schmökernd in die drei Jahrhunderte der LEUCOREA und ihr Nachleben zu vertiefen. Texte von zeitgenössischen Chronisten vermitteln neben Sachinformationen auch das Fluidum der jeweiligen Zeit. Historische Dokumente belegen, was häufig richtig, manchmal halbrichtig und gelegentlich auch falsch weitererzählt und -geschrieben wird. Wissenschaftliche Texte, die seit dem 19. Jahrhundert zur LEUCOREA verfasst wurden, liefern Wissen auf dem Stand der jeweils aktuellen Forschung. Popularisierte Darstellungen eröffnen niedrigschwellige Zugänge. Alle selbst­stän­digen Publikationen sind mit Abstracts versehen. Die Haupttexte der Website-Rubriken werden auch in eng­lischen Fas­sungen angeboten.

Auch nach einer Universitätsschließung geht das Leben weiter. Daher wird hier zudem präsentiert, was nach 1817 im Bereich von Wissenschaft und Höherer Bildung in Wittenberg stattgefunden hat und heute, reichlich 200 Jahre später, dort stattfindet. Dies wiederum weist intensive Bezüge zur Wittenberger Universitätsgeschichte auf: Das Evangelische Predigerseminar war 1817 als Ausgleichsgabe für die geschlossene Universität gegründet worden, saß dann bis 2012 im vormaligen Rektoratsgebäude der LEUCOREA, dem Augusteum, hatte einen großen Teil der Universitätsbibliothek übernommen und sicherte die Kontinuität theologischer Bildung in Wittenberg. Die Lutherhalle bzw. die Stiftung Luthergedenkstätten betrieb und betreibt das Wohnhaus des berühmtesten Professors der Universität, überdies das frühere Stipendiatenhaus und seit 2012 auch das Augusteum. Die Luther-Gesellschaft wäre nicht 1918 in Wittenberg gegründet worden und 2004 zurückgekehrt, wäre Wittenberg nicht die Stadt der Reformationsuniversität gewesen. Die heutige Stiftung Leucorea betreibt mit dem Collegium Fridericianum das Areal, auf dem sich der wesentliche Teil des Universitätslebens abgespielt hatte. Die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek sichert und bearbeitet die Überlieferung der Universität, die in Wittenberg verblieben war.

LEUCOREA-Hof 1644, Quelle: Matrikel der Universität, ULB Sachsen-Anhalt

Die Website führt zu 1100 Volltextdateien:digitalisierten Originalquellen, Forschungsliteratur und populären Darstellungen. Anhand dieser können die 300 Jahre Universitätsentwicklung und die reichlich 200 Jahre nach der Universität vertieft werden. Weitere knapp 180 verknüpfte PDF-Dateien enthalten ergänzende Informationen zu Titeln, die (noch) nicht online zur Verfügung stehen können (Inhaltsverzeichnisse, Leseproben und dgl.). Die selbstständigen Publikationen sind zudem mit Abstracts versehen. Da mittlerweile beträchtliche Bestände an Originalquellen, insbesondere Autographe, online zur Verfügung stehen, verlinkt die Website auch auf 42 einschlägige Archivportale bzw. Einzelbestände innerhalb dieser. Hinweise auf noch unberücksichtigte Web-Ressourcen nimmt die Redaktion gern entgegen.

Mit dieser Website erhält die LEUCOREA ein Online-Nachleben, das typische Informationen über eine Universität, Web-Res­sour­cen und eigens erstellte Digitalisate bündelt. So kann mit einiger Verspä­tung dem misslichen Umstand abgeholfen werden, dass die Wittenberger Universität aus der Perspek­tive des Internetzeitalters 180 Jahre zu früh aufgehoben worden war.

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Zu danken ist einer Reihe von Bibliotheken, Archiven, Portalbetreibern und Verlagen für Digitalisierungsaktivitäten, erteilte Nachnutzungsgenehmigungen oder die Bereitstellung von Informationen bzw. Bilddateien, namentlich: Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Archiv der Stadtkirchengemeinde Wittenberg, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, BWV Berliner Wissenschaftsverlag, Deutsche Digitale Bibliothek, Deutsche Nationalbibliothek, Digitale Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern, Drei Kastanien Verlag Wittenberg, Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt, Evangelische Verlagsanstalt, Evangelisches Predigerseminar Wittenberg, Google Books, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Internet Archive (San Francisco), JSTOR/ITHAKA Harbors Inc. (New York), Kreisarchiv Wittenberg, Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Landesarchiv Thüringen, Library of Congress, Lukas Verlag, Luthergesellschaft, Peter Lang Verlag, Reclam Verlag, Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek Wittenberg, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek, Sächsisches Staatsarchiv, Torsten Schleese (Wittenberg), Georg Singer (Weiden), SKW Stickstoffwerke Piesteritz, Staatsbibliothek Berlin, Städtische Sammlungen Wittenberg, Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, SUB Göttinger Digitalisierungszentrum, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Universitätsarchiv Halle, Universitätsarchiv Jena, Universitätsbibliothek Bielefeld, Universitätsbibliothek Heidelberg, Universitätsbibliothek Tübingen, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Verlag Karl Heinrich Bock, Verlag oekom, Wikipedia, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Uwe Zuppke (Wittenberg)

Aus dem Institut für Hochschulforschung (HoF) haben sich in der Vorbereitung der Website unterstützend engagiert: Gudrun Calow, Uwe Grelak, Stefan Haunstein, Daniel Hechler, Kerstin Martin, Sandy Menzel, Rebekka Reichert und Steffen Zierold. Die inhaltliche Konzeption, Recherchearbeit und redaktionelle Koordination lagen bei Peer Pasternack und Daniel Watermann. Das Webdesign verantwortete Justus Henke und das Contentmanagement David Johst sowie Ernst-Heinrich Haerter.

Für den Aufbau der Website-Struktur und das Verfassen der Einleitungstexte zu den Menüpunkten war die Lektüre vor allem folgender Werke hilfreich: Walter Friedensburg: Geschichte der Universität Wittenberg, Halle (Saale) 1917 | Martin Treu/Ralf-Torsten Speler/Alfred Schellenberger: Leucorea. Bilder zur Geschichte der Universität, Lutherstadt Wittenberg 1999 | Heiner Lück/Enno Bünz/Leonard Helten/Armin Kohnle/Dorothée Sack/Hans-Georg Stephan (Hg.): Das ernestinische Wittenberg. Die Leucorea und ihre Räume, Petersberg 2017 – Inhaltsverzeichnis | Heiner Lück: Alma Leucorea. Eine Geschichte der Universität Wittenberg 1502 bis 1817, Halle (Saale) 2020 – Inhaltsverzeichnis

Begleitheft

Peer Pasternack/Daniel Watermann: www.uni-wittenberg.de. Begleitheft zur Website, Institut für Hochschulforschung (HoF), Halle-Wittenberg 2020, 28 S.

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